Donnerstag, 23. März 2017

Von Hunden und Wunderkerzen




Besonders zur Weihnachtszeit sind sie beliebt, doch auch auf Feiern das ganze Jahr über findet man sie, die Wunderkerze. Sie sind schön anzusehen, einmal angezündet, entfalten sie sofort ein glänzendes Schauspiel, funkeln und sprühen, verzaubern mit ihrer Ästhetik und in wenigen Sekunden ist das Spektakel vorbei und es bleibt ein kleines, verkohltes, verkrümmtes und meist stinkendes Stäbchen übrig, das nur noch für die Mülltonne taugt.
Was das mit Hunden und Hundesport zu tun hat? Leider mehr als einem lieb sein kann. In Zeiten von YouTube Kanälen und Facebook Videos beschleicht einen manchmal das Gefühl, dass es oftmals nicht mehr auf eine gute Grundausbildung ankommt, sondern man nur noch versucht sich gegenseitig mit immer spektakuläreren Videos mit immer jüngeren Hunden zu übertrumpfen.
Mit 10 Wochen muss die Fährte mindestens 200 Schritt lang sein und alles unter drei Gegenständen ist peinlich. Mit 5 Monaten apportiert der Hund das Dreier Holz, kann Voraus und Steh aus dem Laufschritt, reviert alle Verstecke und springt die Meterhürde auf voller Höhe. Nach Abschluss des Zahnwechsels, geht der Hund bei jedem Training mindestens dreimal die volle Distanz bei der Langen pro Training, natürlich mit schönem Ausschwingen mit Wellenbewegung und Schraube, um sicher zu stellen, dass er den Griff auch hält und erträgt mehr Stockschläge in einer Woche, als der letzte WM Gewinner in seinem ganzen Sportleben bekommen hat und wenn mit 15 Monaten die Begleithundeprüfung ansteht, ist der Hund in der Regel verschwunden. Eine Erklärung dafür findet man meistens nicht. In Einzelfällen ist dann von tragischen Unfällen die Rede oder nach all den wundervollen YouTube Videos wurde der Hund verkauft, weil die Chemie zwischen Hund und Hundeführer plötzlich doch nicht stimmte.

Und während das erste Wunderkind in der Versenkung verschwunden ist, finden sich auf YouTube bereits das nächste dutzend Videos. Der sieben Monate alte Border Collie der den kompletten Parcours läuft und volle Höhe springt, der Malijunghund der mit dem dreier Holz die Meterhürde springt, alles weil es der Hund eben kann.
Auf die Frage nach Gesundheit und Reife bekommt man meistens keine vernünftige Antwort. Oder es kommt eines von zwei Argumenten „du bist doch nur neidisch“ oder es wird darauf hingewiesen, dass der Hund es von sich aus anbietet. Würde es dem Hund schaden, würde er es ja wohl nicht machen. Und in dieser festen Überzeugung, dass ihnen die Umwelt nur ihren Erfolg neidet und der richtige Hund das schon durchhält, werden die nächsten vielversprechenden Nachwuchshunde wie die Wunderkerzen an Weihnachten verheizt.
Die Geduld die Hunde auch einmal reifen zu lassen, ist in den letzten Jahren verloren gegangen. Auch glauben immer mehr, die Härte und Klasse ihres Hundes in immer spektakuläreren Aktionen unter Beweis stellen zu müssen, ohne den Sinn davon wirklich zu hinterfragen. Sicher sieht es atemberaubend aus, wenn schon der junge Hund mit richtig Anlauf in den Ärmel fliegt, vom Helfer fünfmal gegen den Uhrzeigersinn gedreht und dabei wie eine Fahne kräftig auf- und abgeschwenkt wird, dass sich der Rücken durchbiegt, der Hals in alle Richtungen verdreht und die Hinterläufe über den Kopf des Figuranten schlagen. Doch was sagen solche Aktionen wirklich aus, außer dass dort Menschen zu Gange sind, denen die Gesundheit ihres Hundes nicht so wichtig zu sein scheint?
Ganz nach dem Motto „wer pausiert verliert“ wird der Hund durch die Ausbildung gejagt, oftmals ungeachtet der Schäden die Körper und Geist dabei nehmen. Ist die Wunderkerze dann abgebrannt noch vor der ersten Prüfung, ist die Verzweiflung groß. Der Hund war doch mit 10 Monaten schon fertig für die IPO 3, konnte den Parcours der letzten Agility WM fehlerfrei in Traumzeiten laufen und hätte auf der Obedience DM jeden vor Neid erblassen lassen und plötzlich geht nichts mehr. Entweder weil der Hund sich verweigert oder weil er kaum noch gerade laufen kann.
Ausreden dafür gibt es dann viele. Entweder war der Deckrüde doch schlecht, der Züchter hat einen über den Tisch gezogen oder der Figurant ist schuld, weil er den Hund kaputt gemacht hat. Wie die abgebrannte Wunderkerze dann entsorgt wird, ist unterschiedlich. Manche verschwinden auf dem Sofa, andere in den Tiefen der Internetkleinanzeigen.

Leider lernen die wenigsten Hundeführer aus diesen Fehlschlägen. Die Einsicht, dass das Scheitern auf die Überforderung des Hundes zurückzuführen ist, tritt nur bei wenigen ein. Die nächsten Videos sind bereits online, diesmal mit einem vier Monate alten Hund, der ein perfektes Voraus mit Platz zeigt und im Vollschutzanzug die Schläge mit dem Bambusstock einsteckt.
Also nimmt man sich fest vor mit dem nächsten Hund noch härter zu trainieren, denn beim Letzten hat man ja versagt, weil man zu wenig trainiert hat. Ein weiterer Welpe zieht ein, eine weitere Wunderkerze wird angezündet, stolz online präsentiert und der geneigte Zuseher kann schrittweise mitverfolgen, wie das nächste junge Talent verheizt wird.