Dienstag, 24. Mai 2016

Karriereende nach der letzten Blende




Einer hat es vorgemacht und viele wollten folgen. Die Medienauftritte als Sprungbrett für eine erfolgreiche Hundetrainerkarriere hat wohl in Deutschland niemand so geschickt genutzt, wie Martin Rütter. Schon in einer Zeit, als Tierformate im TV noch Seltenheitswert hatten, startete er mit der Dokureihe „Eine Couch für alle Felle“ im WDR und folgenden Formaten den medialen Siegeszug, der seine Karriere stützte- und nebenbei ordentlich dazu beitrug, dass solche Sendungen zum Publikumsliebling wurden.

Nun, rund zwanzig Jahre nach Beginn dieser Erfolgsgeschichte, boomen Tierformate. Egal ob abendfüllende Reportagen, tägliche oder wöchentliche Dokusoaps oder Miniserien in Nachrichten- und Morgenmagazinen, wer etwas auf sich hält als Mediensendeanstalt, macht Hund und Co regelmäßig zum Thema in seinem Programm. Für diese Beiträge braucht man allerdings auch zwei- und vierbeinige Hauptdarsteller, die man nicht aus den eigenen Reihen rekrutieren kann und da der Zuschauer gerne „echte“ Geschichten aus dem richtigen Leben sehen möchte, nutzen auch Schauspielschüler und Filmtiere nicht viel.
Überall in den sozialen Netzwerken, in diversen Internetforen und auf den Senderhomepages tauchen regelmäßig Anzeigen auf. Produktionsfirma xy sucht Hund und Halter für bestimmtes Format oder einen Beitrag. Diesen Aufrufen folgen dann nicht nur private Tierliebhaber, die sich und ihren Liebling einmal im Rampenlicht präsentieren möchten, sondern auch viele Gewerbetreibende rund um den Hund. Egal ob Hundetrainer, Tierphysiotherapeut, DogWalker, Züchter, Hobbyvermehrer, Groomer, Hundetagesstättenbetreiber oder sonstiger Dienstleister oder Verkäufer aus dem Hundesektor, gesucht wird fast alles von findigen TV-Machern und es finden sich auch aus allen Sparten immer genügend Freiwillige, die dem Kamerateam Einblick in ihr Leben und ihre Arbeit gewähren. Nicht ganz ohne Hintergedanken, denn ein paar gratis Sendeminuten auf einem großen Sender in denen man hin und wieder beiläufig den Namen des Unternehmens erwähnen oder auch mal mehr mal weniger plakativ das eigene Logo mit Firmennamen ins Bild drücken kann, sind schon eine sehr verlockende Idee und versprechen gute Werbung.
Also lässt man das Kamerateam für einen Tag anrücken, gibt sein bestes, sich, seine Überzeugungen und seine Tätigkeit im besten Licht zu präsentieren, wartet gespannt auf den Ausstrahlungstermin und erlebt dann oftmals das böse Erwachen.
Um eine Hundetrainerin zu zitieren, die dieses „Abenteuer“ gerade hinter sich gebracht hast: „Das hatten wir uns ganz anders vorgestellt.“

Denn sehr oft wird vergessen, dass das Publikum den eigenen Auftritt im TV nicht nur positiv aufnehmen muss, sondern es auch durchaus negative Stimmen bis hin zum Shitstorm geben kann. Die Auslöser dafür können vielfältig sein. Selbst bei harmlosen Themen schafft es nicht jeder sich authentisch und sympathisch vor der Kamera zu präsentieren, das Scheinwerferlicht liebt eben nicht jeden. Bei kontroversen Themen wird die Sache noch heikler, da man sehr schnell zwischen die Fronten fanatischer Befürworter und Gegner gerät. Richtig kritisch wird es allerdings, wenn man sich auf die derzeit so modernen Vergleichsformate einlässt, bei denen zwei – möglichst konträre – Denkungsrichtungen gegenübergestellt werden. In einem solchen Format wird es immer einen Verlierer geben und die Chancen stehen fünfzig-fünfzig, dass man selbst auf der Verliererseite steht.
Anders als bei den großen Namen oder einfach nur bei Personen, die im Mittelpunkt der Serie stehen, hat der ausstrahlende Sender bei den austauschbaren Mitwirkenden nicht das Bestreben, sie auf jedem Fall in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Selbst als ein Martin Rütter noch eher unbekannt war, stand die richtige Präsentation im Vordergrund, da er die Serie tragen sollte und somit zum Sympathieträger werden musste, damit die Zuschauer auch zu den nächsten Folgen wieder einschalten.
Bei Formaten in denen heute der Hundesalon von Lieschen Jedermann, morgen die Hundeschule von Heiner Allerwelt und übermorgen die Dackelzucht von Susi Sonderbar beim ersten Tierarztbesuch gezeigt wird, gibt es dieses pauschale Bemühen, einen festen Sympathieträger zu etablieren nicht.  Die Hauptdarsteller wechseln schnell und die Zuschauer sollen einfach nur einschalten und über die Sendung reden. Ob sie das tun, weil die Person in dem Beitrag sympathisch und kompetent ist oder, weil man sich auf Grund getroffener Aussagen in den sozialen Medien in endlosen Diskussionen über die Unfähigkeit der gezeigten Person ergeben kann, ist der Sendeanstalt dabei vollkommen egal.

Für eine Privatperson mag es ans Ego gehen, wenn man im Internet bis zur nächsten Folge und bis zum nächsten „Opfer“ verbal zerrissen wird, für den Gewerbetreibenden kann es schnell auch an die Existenz gehen. Man hatte sich ein bisschen kostenlose Werbung erhofft und plötzlich lassen sich hunderte fremde Menschen darüber aus, dass man als Groomer vollkommen ungeeignet sei, so wie man im Beitrag die Schere gehalten habe, niemand seinen Hund zu einem in Pension geben darf, so schmutzig wie das im Fernsehen aussah oder man mit der Einstellung doch nie im Leben Hunde trainieren dürfte.
In manchen Köpfen hält sich noch immer hartnäckig der Glaube, jede Publicity sei gute Publicity. Dieser Merksatz dürfte allerdings nur noch für F-Klasse Promis und Pornosternchen gelten. Für ein Kleinunternehmen ist eine solche Schlammschlacht eine Katastrophe, die sich auch auf dem Konto niederschlagen dürfte.

Die Meisten werden sich von diesem Tiefschlag mit viel Arbeit wieder erholen, auch wenn in den Tiefen des WorldWideWeb immer die vernichtenden Kritiken umherschwirren werden und der ein oder andere potentielle Kunde auch in Jahren noch von ihnen vergrault werden wird. Dennoch sollte man an das Wagnis TV-Auftritt gut überlegen und nicht so naiv sein zu glauben, durch den Besuch einer Produktionsfirma die Erfolgsgeschichte eines Martin Rütters für sich selbst reproduzieren zu können.